Im Rampenlicht: Institut für Industrial Management der FH Joanneum
Das Institut für Industrial Management der FH Joanneum am Standort Kapfenberg ist neues Mitglied der AT Styria. Zum Auftakt haben wir FH-Prof. Mag. Dr. Martin Tschandl, Leiter des Instituts, zum Interview gebeten.
Womit beschäftigt sich Ihre Institution im Allgemeinen?
„Die Studiums- und Forschungsschwerpunkte des Instituts Industrial Management der FH JOANNEUM am Campus Kapfenberg liegen in einer General-Management-Kombination von Technik und Wirtschaft, ergänzt um Fremdsprachen und interkulturelle Soft Skills, um der internationalen Ausrichtung der heimischen Industrie Rechnung zu tragen. Die bestehenden Schwerpunktthemen des Wirtschaftsingenieur-Instituts behandeln die Optimierung der Wertschöpfungskette, vor allem mittels Enterprise Resource Planning (kurz ERP) und Prozessmanagement, Beschaffung und Supply Chain Management, Controlling sowie der Digitalisierung mit all seinen Aspekten. Die beiden Master-Vertiefungen „Smart Production & Services“ und „Supply Chain Engineering“ werden ab Herbst 2024 um „Business Transformation“ erweitert.
Als angewandte Universität mit seiner forschungsgeleiteten Lehre braucht es ein breites und interdisziplinäres Forschungsportfolio, das sich auf relevante Themen für Industrieunternehmen und ihre Dienstleister in einem zunehmend internationalen Wettbewerbsumfeld konzentriert. Dazu gibt es fünf Forschungsgruppen:
- ERP & MES, also Enterprise Resource Planning & Manufacturing Execution Systems: Fokussiert auf die Effizienz und Effektivität bei der Auswahl, Einführung und dem Einsatz von integrierten betrieblichen Standardinformationssystemen, die für Industrieunternehmen erfolgskritisch sind.
- Supply Chain Engineering: Widmet sich der Optimierung der Material- und Informationsflüsse entlang der Supply Chain bzw. im Wertschöpfungsnetzwerk, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Supply Chains nachhaltiger und resilienter zu gestalten.
- Digital Technologies: Arbeitet an State-of-the-Art-Technologien und -Konzepten im Sinne der Digitalisierung, um die digitale Anbindung von Maschinen und Anlagen am Shopfloor zu optimieren und Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation zu unterstützen.
- Arbeit der Zukunft: Beschäftigt sich mit der Position und Relevanz des Menschen als zentrales Element der Industrie, um unternehmerischen Erfolg langfristig sicherzustellen. Im Fokus stehen die Kompetenzen, Bedürfnisse und Motive von Mitarbeitenden und Führungskräften und der organisationale Rahmen, in welchem diese eingebettet sind.
- Unternehmenssteuerung & Controlling: Konzentriert sich auf betriebswirtschaftliche Forschungsthemen, die in drei Bereiche gebündelt werden: Strategie, Controlling und Service Engineering, um im unternehmerischen Kontext strategische Erfolgspotenziale und Ziele definieren und erreichen zu können.
Diese Forschungsgruppen arbeiten in bisher über 500 Projekten mit Unternehmen und öffentlichen Institutionen zusammen, einschließlich globaler Konzerne sowie regionaler KMU und Start-ups. Durch innovatives Denken auf einer fundierten wissenschaftlichen Basis werden Theorien und theoretische Konzepte erfolgreich in die Praxis übertragen.“
Was zeichnet Ihre Institution aus?
„Das Institut Industrial Management der FH JOANNEUM zeichnet sich durch seine innovative Forschungs- und Lernumgebung aus. Forschende, Lehrende und Studierende können dazu – oft in Zusammenarbeit mit Unternehmen – hochmoderne Labore nutzen: beispielsweise das „Smart Production Lab“, eine der größten Lehr- und Forschungsfabriken für industrielle Digitalisierung in Mitteleuropa, das integrierte FabLab als öffentlich zugänglicher Maker Space für Digitalisierung, das NextGen Lab für innovative Geschäftsprozessentwicklung sowie das neue „Lean Lab“. Diese Einrichtungen ermöglichen es, traditionelle Grenzen zwischen Forschung und Lehre durch den Einsatz digitaler Technologien zu überwinden.“
In welchen Bereichen werden die Student:innen ausgebildet?
„Die Kernkompetenz des Instituts liegt in der Kombination von wissenschaftlich fundiertem Faktenwissen mit Orientierungs- und Erfahrungswissen, das Studierende von Lehrenden aus Wissenschaft und Industrie erhalten. Studierende von International Industrial Management werden in dem breiten Wirtschaftsingenieur-Spektrum von Disziplinen ausgebildet, die sie als zukünftige Führungskräfte einer modernen Industrie und Wirtschaft benötigen. Die Ausbildung zielt darauf ab, den Studierenden ein „hybrides“ Know-how zu vermitteln, das sowohl Wirtschaft und Management als auch Technik und Technologie umfasst. Dies wird durch die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen und internationalen Erfahrungen verstärkt. Zu den Kernbereichen der Ausbildung gehören:
- Praxis- und projektbezogenes Lernen
- Schärfung von Managementkompetenzen
- Sammeln internationaler Erfahrungen
- Erwerb technischer und IT-Kompetenzen
- Knüpfen von Kontakten zu Unternehmen
- Ausbau von Soft- und Social Skills
- Durchführung von Industrieprojekten
Das Studium legt großen Wert darauf, dass die Studierenden ihr im Studium vermitteltes Wissen praktisch anwenden können, beispielsweise durch je ein Semester im Berufspraktikum und einem zusätzlichen Industrieprojekt bei bekannten Unternehmen wie AVL, BMW, Magna Steyr, voestalpine, Bosch, Porsche oder Red Bull. Absolvent:innen finden ihre Jobs mit Verantwortung in allen Funktionen von Unternehmen, unter anderem im (internationalen) Einkauf, Controlling, ERP, IT und AI, Projektmanagement, Planung, Produktion(-smanagement), Marketing und (internationalem) Vertrieb, bis hin zu Supply Chain Management, Logistik und Human Resources.
Die Curricula sind so gestaltet, um den zukünftigen Bedürfnissen von Industrie und Gesellschaft gerecht zu werden. So werden wir im neuen Master-Curriculum ab Herbst 2024 mit inhaltlichen Ergänzungen zu Analytics und AI, industrieller Nachhaltigkeit sowie einer zusätzlichen Vertiefung für Business Transformation starten. Unsere Absolvent:innen sollen die Unternehmen auch bei der notwendigen Twin Transition, also bei der Digitalisierung (Stichwort Analytics/AI) und Nachhaltigkeit (Stichwort: ESG), unterstützen.“
Welche Projekte stechen besonders hervor?
„Unser IWI-Institut zeichnet sich durch eine breite Palette an innovativen Projekten aus, die in direkter Zusammenarbeit mit der Industrie und durch geförderte Forschungsinitiativen realisiert werden. Wir können die Projekte in drei Gruppen teilen:
- Auftragsforschungsprojekte mit der Industrie: In mehr als 500 erfolgreich abgeschlossenen Projekten unter Beteiligung von Bachelor- und Masterstudierenden wird das gesamte Spektrum des Wirtschaftsingenieurwesens abgedeckt. Zuletzt hatten wir Projekte zu Kundenbefragungen im Anlagenbau, Optimierung von Logistikprozessen, Smart Data oder die Digitalisierung von Produktionsanlagen.
- Projekte für die Neukonzeption innovativer Lösungen umfassen beispielsweise die Entwicklung von Konzepten für „Advanced Digital Production“ basierend auf SAP Leonardo, den Einsatz kollaborativer Roboter zur Produktmontage, die Optimierung der Outbound-Logistik und die Anwendung von Machine Learning zur Defekterkennung in Industrieprodukten.
- Geförderte Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen. Beispiele wären hier ICON COIN zur Förderung kollaborativer Arbeit im virtuellen Raum, COMET REWASTEF für die Automatisierung und Digitalisierung von Abfall- und Kreislaufwirtschaftsprozessen, der Digital Innovation Hub zur Unterstützung von KMUs bei deren Digitalisierungsprojekten, COMET K2 IC-MPPE zur Erforschung standardisierter Transferprotokolle, HORIZON Europe – bridges 5.0 zur Erstellung von Richtlinien für Industrie 5.0, IMPACT sXR für eine ganzheitliche Betrachtung von Extended Reality im industriellen Kontext, durchgeführt mit 20 Industriepartnern aus Österreich, sowie iNEVER, einem Innovationsnetzwerk zur Verkehrsvermeidung (Logistik).
Diese Projekte zeigen die Relevanz praktischer und forschungsbasierter, transdisziplinärer Bildung, mit der Studierende direkt auf die Herausforderungen und Chancen in der Industrie vorbereitet werden.“
Wie sehen Sie die Zukunft der Automatisierungstechnik?
„Die Automatisierungstechnik spielt eine entscheidende Rolle, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft Europas zu stärken und sich im globalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber der starken Konkurrenz aus Asien, zu behaupten. Unsere Projekte und die Lehrpläne unserer Studiengänge unterstreichen, wie hoch wir den Stellenwert der Automatisierungstechnik einschätzen. Unser Institut widmet sich der Forschung und praktischen Anwendung neuester Technologien im Bereich der Digitalisierung im Umfeld der Automatisierung. Dies wird durch das Smart Production Labs, eine der größten Lehr- und Forschungsfabriken für Digitalisierung in der Produktion in Mitteleuropa und unsere aktive Teilnahme an unterschiedlichen Industrie-4.0-Projekten deutlich. Wir betrachten die Automatisierungstechnik in der Zukunft als eine ganzheitliche Disziplin, die technologischen Fortschritt nicht isoliert, sondern in Verbindung mit menschlichen Aspekten und Nachhaltigkeitszielen vorantreibt, hier wieder mit dem Stichwort Industrie 5.0.“
Arbeiten Sie mit Unternehmen im Bereich Automatisierungstechnik zusammen? Wenn ja, mit welchen?
„Das Institut Industrial Management arbeitet intensiv mit Unternehmen aus der Automatisierungsbranche, vor allem aber auch mit der produzierenden Industrie zusammen. Diese Kooperationen sind besonders im Rahmen des Smart Production Labs zu sehen, wo interessierte Unternehmen das Labor systematisch unterstützen, und auch davon profitieren. Diese Partnerschaften zielen darauf ab, gemeinsam durch angewandte Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich Industrie 4.0 bzw. 5.0 eine Vorreiterrolle einzunehmen. Zu den Lab-Partnern gehören Unternehmen wie B&R Industrial Automation GmbH oder HOERBIGER Wien GmbH, aber auch Knapp AG, voestalpine mit mehreren Unternehmen und die NTS AG.“
Wieso sind Sie Mitglied in der Plattform Automatisierungstechnik? Bzw. was erwarten Sie von der Plattform Automatisierungstechnik?
„Die Mitgliedschaft bei der Plattform AT Styria bietet für das Institut Industrial Management Zugang zu einem breiten Netzwerk von Unternehmen und Institutionen im Bereich Automatisierungstechnik. Das sind wertvolle Kontakte und Kooperationen, um Forschungs- und Bildungsprojekte zu initiieren. Außerdem erhoffen wir uns einen regen Austausch von Expertise über die neuesten Trends und Technologien in der Automatisierungstechnik, wodurch sich auch neue Möglichkeiten für (Forschungs-)Kooperationen ergeben können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Sichtbarmachen von eigenen Veranstaltungen und die eigene Teilnahme bei anderen Veranstaltungen bzw. Weiterbildungen, die für die Mitglieder regelmäßig organisiert werden.“
Fact Box
- Gründungsjahr: 1995
- Anzahl Studierende: ca. 320
- Ausbildungsrichtung: Wirtschaftsingenieurswesen