Interview mit dem Leiter des Instituts für Mechatronische Systeme an der ZHAW
Bei den Bodenseegesprächen mit Auftakt am 7. Juli 2021 stehen Automatisierungstechnik, KI und Robotik ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Wir haben Prof. Dr. Hans Wernher van de Venn zum Interview gebeten.
Wie sehen Sie speziell im Hinblick auf die Automatisierungstechnik das Thema Nachhaltigkeit?
Hans Wernher van de Venn: Nachhaltigkeit ist in der Automatisierungstechnik eines der wesentlichsten Themen für die Zukunft. Mit der Digitalisierung haben wir die Möglichkeit, Produkte von der Konstruktion, über die Produktion bis hin zum Gebrauch zu kennzeichnen. Wir können somit auch im Bereich des Recyclings vieles erleichtern. Mit der Industrie 4.0 haben wir hier das richtige „Handwerkszeug“ und die Voraussetzung geschaffen, mittels Produkttagging und -tracing eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Auch die Weiterentwicklungen betreffend Mensch-Roboter-Kollaboration werden zukunftsweisend.
Sie behandeln bei Ihrem Vortrag „Mit KI zur sicheren, effizienten und nachhaltigen Mensch-Roboter-Kollaboration in der Produktion“ bei den Bodenseegesprächen das Thema KI aus Sicht der Wissenschaft – können Sie uns einen exklusiven Vorgeschmack auf Ihre Session geben?
Hans Wernher van de Venn: Das Thema KI wird zum Teil sehr kontrovers diskutiert – im Rahmen der Session bei den Bodenseegesprächen wird die KI als Hilfsmittel gerade am Beispiel der Mensch-Roboter-Kollaboration aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Mit Hilfe der KI entstehen Möglichkeiten, welche mit konventionellen Methoden nicht erreichbar sind. Gerade in puncto Sicherheit stellt sich immer wieder die Frage „Wie können wir die Sicherheit in der Mensch-Roboter Kollaboration erhöhen und trotzdem effizient und lukrativ arbeiten?“. Derzeit bewegen wir uns im Bereich geringer Nutzlasten und reduzierter Geschwindigkeiten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Hier arbeiten wir beispielsweise an einer Erhöhung der Wahrnehmung des Roboters. Infolgedessen wird es auch möglich sein, die Umgebungserkennung zu erhöhen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedensten Bereiche ist unumstößlich. Es ist längst nicht mehr „nur“ die Produktion, welche Ingenieur berücksichtigen müssen – die multidisziplinäre Forschung betrachtet natürlich auch den menschlichen Faktor, beispielsweise die Reaktion auf Stress, welchen Menschen bei einer Zusammenarbeit mit Robotern ausgesetzt sind. Das vorhin angesprochene „Bewusstsein“ ermöglicht einerseits die Effizienzsteigerung, beispielsweise in puncto größere Lasten, andererseits die Gewährleistung der Sicherheit von Menschen, da Faktoren wie physische Nähe, menschliche Bedürfnisse, aber auch die Dynamik und Komplexität der Arbeitsumgebung miteinfließen. In europäischen Forschungsprogrammen nimmt die KI ebenfalls einen wesentlichen Stellenwert ein.
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist auch international sehr bekannt, wie sehen Sie das Thema KI im Hinblick auf die Internationalisierung?
Hans Wernher van de Venn: Kritisch. Wir dürfen uns in Europa nicht „ausruhen“. Wir haben gute Möglichkeiten, ein gutes Bildungssystem, gute Wissenschaftler und auch gute Ausbildungen – diese Stärken müssen genutzt und ausgebaut werden. Wir müssen neue Generationen gleichzeitig fördern und auch fordern. Nicht nur an unserem Institut für Mechatronische Systeme, sondern auch für andere Institute gibt es die Lernfabrik 4.0. Als eine der ersten Hochschulen in der Schweiz bieten wir Studierenden die Möglichkeit im Rahmen der Lernfabrik 4.0 den Umgang mit neuen Technologien zu lernen.
Was ist Ihnen im Hinblick auf Forschung und Lehre besonders wichtig?
Hans Wernher van de Venn: Die Forschung und Lehre sollen hier unterstützen und auch den Raum für die Kreativität zur Entwicklung von eigenen Ideen und Projekten geben. Sehr tiefe Kompetenzen in den Einzelbereichen, aber auch ein interdisziplinärer Überblick sind hier von großer Bedeutung.
Die Bodenseegespräch bieten eine Bühne für die grenzübergreifenden Vernetzung der Robotik- und Automatisierungstechnikszene. Welche Vorteile sehen Sie hier?
Hans Wernher van de Venn: Als Gründer des Mechatronik-Clusters in der Schweiz waren wir stets sehr darauf bedacht, auch internationale Beziehungen zu anderen Clustern – auch nach Österreich/Wien zu pflegen. Durch den Austausch und die Zusammenarbeit wird die Entstehung von Innovation und Wertschöpfung stetig gefördert.
Kontakt:
Prof. Dr. Hans Wernher van de Venn
Institutsleitung Institut für Mechatronische Systeme an der ZHAW
Technikumstrasse 5
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T +41 (0) 58 934 77 89
E wernher.vandevenn@zhaw.ch