Große Herausforderung mit kleinen Teilen
Die Vision ist ja schon alt: Dass Transportwägelchen wie von Geisterhand bewegt durch Fabrikhallen navigieren, intelligent da und dort stehen bleiben und der Mannschaft zur Hand gehen. Doch die Wirklichkeit sieht heute nüchterner aus, wie Dieter Lutzmayr weiß: „Bisherige Systeme, die Sachen in Hallen transportieren, navigieren nicht frei, sondern an magnetischen oder optischen Linien entlang. Sie haben keine Reaktionsfähigkeit und sie werden meist in Hallen eingesetzt, wo keine Menschen arbeiten.“ Lutzmayr ist an der FH Campus 02, der Fachhochschule der Wirtschaft in Graz, für den Bereich Forschung und Entwicklung im Studiengang Automatisierung zuständig. Und er entwickelte zusammen mit seinen Kollegen im Auftrag von Magna Steyr genau ein solches Transportsystem, das man als „intelligent“ bezeichnen kann.
Die Transportplattform, dessen dritter Prototyp jetzt im echten Einsatz steht, versorgt Montage-Standorte in Magna-Fertigungshallen mit sogenannten C-Teilen. Das sind Kleinteile wie Schrauben, Muttern und Verbrauchsmaterial. Rund 3,5 Millionen Stück fallen davon täglich (!) bei Magna an. Es ist eines von 20 Themenfeldern, die der große Grazer Autozulieferer und -fertiger als zukunftsentscheidend identifiziert hat und Partner dafür in der Wissenschaft gesucht hat. Es geht darum, die „smart factory“, also die „intelligente Fabrik“ der Zukunft zu schaffen. Drei dieser 20 Zukunftsfelder werden mit der FH Campus 02 entwickelt.
Die besondere Herausforderung bei dem konkreten Projekt lag für Lutzmayr darin, für die Automobilindustrie etwas zu schaffen, was dort in der anspruchsvollen Produktion problemlos eingesetzt werden kann. Dazu musste eine intelligente Steuerung entworfen werden, die autonom Zielpunkte ansteuert und Hindernisse und Menschen vermeidet. Die Materialanforderungen werden drahtlos übertragen, die Software der Transportplattform optimiert dann die Route und liefert den erwünschten Nachschub.
2016 wurde ein erster Prototyp direkt an der FH Campus 02 von einem Projektteam entwickelt. Den jetzigen dritten Prototyp bauten Brunner Maschinenbau in Wolfau und FB Automation Gleisdorf, die FH Campus 02 war beratend tätig. Beide Unternehmen des Sondermaschinenbaus werden übrigens von Absolventen der FH Campus 02 geleitet.
Magna lobt an der Kooperation auch das rasche Tempo der Realisierung. Lutzmayr ist stolz darauf, dass das Projekt gleich zweifach ausgezeichnet wurde: Einmal erhielt es den Magna-internen Innovationspreis, andererseits den Forschungspreis der FH Campus 02.An der FH Campus 02 wurde für die Fertigung von Magna Steyr in Graz eine autonome Transportplattform entwickelt, die intelligent agiert.
Fertigung
Gerade an der Automobilindustrie kann man seit 100 Jahren am besten die Veränderungen in der Produktions- und Fertigungstechnik beobachten, da das Auto einerseits ein komplexes, sehr hochwertiges technisches Gerät ist, andererseits aber eine Massenware mit hohem Kostendruck.
So war etwa Henry Ford mit der Weiterentwicklung des Fließbandes zu einer „Assembly Line“ wegweisend, auch Themen wie „Just in time“-Fertigung wurden in der Autoindustrie modern. Heute spielt die Individualisierung von Kundenwünschen eine große Rolle in der Automobilindustrie.
Quelle: Kleine Zeitung, 12.04.2018