„Sicherheit ist längst ein wirtschaftlicher Schlüsselbereich“ – Interview mit Dr. Reinhard Marak

Im Rahmen unseres exklusiven EXPERTtalks „Defence & Security als potenzieller Business Case“ stand das Thema Sicherheit als wirtschaftlicher Faktor im Zentrum. Dr. Reinhard Marak – ein ausgewiesener Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik – lieferte spannende Einblicke in die Marktmechanismen des Defence-Sektors und zeigte auf, welche Chancen sich daraus für österreichische Unternehmen ergeben.

Dr. Marak ist Leiter der Stabstelle Krisenmanagement und Sicherheitsvorsorge sowie Geschäftsführer der WKO ARGE Sicherheit & Wirtschaft (ASW) und der ARGE Industrielle Kooperation und Luftfahrttechnologie (AICAT). Seine Laufbahn führte ihn unter anderem zur Europäischen Verteidigungsagentur, ins Verteidigungsministerium sowie zur Militärvertretung in Brüssel. Im Interview spricht er über aktuelle geopolitische Entwicklungen, strategische Potenziale für die Wirtschaft – und warum Unternehmen Sicherheit nicht länger als reines Staatsanliegen betrachten sollten.

Herr Dr. Marak, Sie haben beim EXPERTtalk von speziellen Marktgesetzen im Bereich Defence & Security gesprochen. Was sollten heimische Unternehmen unbedingt wissen, bevor sie in diesen Sektor einsteigen?

„Der Sektor ist davon geprägt, dass es für die meisten Produkte nur eine Art von Kunden gibt, und das sind staatliche Sicherheits- und Verteidigungskräfte, wie die Polizei und das Bundesheer. Nur wenn diese sich für ein Produkt entscheiden, macht es wirtschaftlich Sinn, ein Projekt weiterzuverfolgen.

Weiters ist der Sektor davon geprägt, dass Kaufentscheidungen nicht notwendigerweise auf den Preis abzielen, sondern auch sehr stark auf nationale Sicherheit. Sprich, die meisten Staaten beschaffen primär vom eigenen Markt, weil sie sicherstellen wollen, dass die jeweilige Sicherheits- und Verteidigungstechnologie im eigenen Land erhalten bleibt. Diese Überlegungen ziehen sich auch in die Lieferkette. Wenn man nur wenige Systemhersteller im eigenen Land hat, muss der aus dem Ausland beschaffende Staat verstärkt auf verpflichtende grenzüberschreitende industrielle Kooperation setzen, um den heimischen Technologieerhalt sicherzustellen.“

Wie bewerten Sie das aktuelle Investitionsklima im europäischen Sicherheits- und Verteidigungsbereich – und welche Chancen ergeben sich daraus konkret für KMU in Österreich?

„Beim Investitionsklima muss man genau hinschauen und zwischen Zielvorgaben – wie die 800 Mrd. Euro, die die EU-Kommission in Aussicht gestellt hat, oder das neue NATO-Ziel von 5% des BIPs – einerseits und den in den Staaten wirklich freigemachten Mitteln – wie den geplanten 18 Mrd. Euro reinen Invests des österreichischen Bundesheeres oder die aktuellen Sondervermögen der deutschen Bundesregierung – anderseits unterscheiden.

Nur letztere bieten tatsächlich Chancen für unsere Unternehmen, egal ob für größere Systemhersteller oder KMUs in der Lieferkette. Ganz entscheidend ist dabei das nationale aber auch das internationale Netzwerk, das man als Unternehmen bespielen muss. Dieser Sektor ist sehr stark vom Vertrauen in die Liefersicherheit und in die technologische Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer geprägt. Das ist auch der Grund warum wir als WKO mit all unseren Partnern ganz stark auf Business-to-Business und Business-to-Government Formate setzen.“

Hier könnten Sie evtl. auch darauf eingehen, dass Veranstaltungen wie unser EXPERTtalk eine wichtige Rolle für den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen spielen.

Die Verbindung zwischen Wirtschaft und Sicherheit wird zunehmend relevanter. Welche Rolle spielt die österreichische Industrie in der strategischen Autonomie Europas?

„Am Ende des Tages ist die produzierende Wirtschaft das letzte Glied in der Sicherheits- und Autonomiekette. Nur wenn ich wen habe, der mir das, was ich als Militär oder Polizei zur Auftragserfüllung benötige, auf den Kasernenhof oder vor die Polizeiwache stellt, kann ich umfassend staatlichen Schutz und Sicherheit gewährleisten. Dabei ist man sehr schlecht beraten, wenn man von anderen Märkten abhängig ist – wie uns die aktuellen geopolitischen Verwerfungen leider sehr deutlich vor Augen führen. Europa hat das erkannt und setzt mittlerweile sehr stark auf den Ausbau der heimischen Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft, aber – wie gesagt – die Mitgliedstaaten müssen diese Strategien auch aktiv und mit Nachdruck umsetzen.“